Die Stadthalle steckt voller Leute und Erwartung. Dann ertönt das erste Stück „O Fortuna“ von Carl Orff. Es rüttelt die Stadthalle wach mit Pauken, zaubert Gänsehaut auf die Arme, öffnet staunende Münder im Publikum – der gigantische Abschluss eines Orchester-Austauschs.

 

 

 

Aufbrausend, tosend, opposant, mächtig und gewaltig spielt das Jugend-Orchester. Elf Tage haben circa 100 Deutsche, Engländer und Franzosen für das Abschlusskonzerts „O Fortuna“ des Austauschorchesters Cambridge-Heidelberg-Montpellier geprobt. Heute haben sie sich schick gemacht: geflochtene Haare, schwarze Hemden, neue Kleider, geputzte Schuhe.

In der Pause sind die Musiker sichtlich gelöst, auch Carola. Sie spielt Cello und stellt stolz fest, dass es hier in der Stadthalle Heidelberg noch besser läuft als bei der Probe, dass auf der Bühne die Konzentration mit einem Schlag einfach da ist – fast schon magisch. Auch die Posaune-Spieler Martin und Justus sind voll zufrieden mit der ersten „Halbzeit“. Wen wundern da die Standing Ovations im Publikum, der nicht enden wollende Applaus?

Martin und Justus

Carola

Nichts eint so sehr wie ein gemeinsames Werk, erst recht ein musikalisches Werk: Sich gemeinsam verspielen, gemeinsam verbessern, gemeinsam an einer Leidenschaft feilen.Der Orchester-Austausch hat eine lange Tradition. Er begann 1962, als eine deutsche Gruppe Musiker nach Cambridge reiste für ein gemeinsames Konzert. 25 Jahre nach der Gründung des Orchesters stieg Montpellier mit ein. Um das 50-jährige Jubiläum des Austausches zu feiern, lud der Stadtjugendring Heidelberg Engländer und Franzosen dieses Jahr zu sich ein. In seiner Ansprache an die Gäste sinniert Herr Bielfeld, der ehemalige Leiter des Austausch-Orchesters, über die Unterschiede zwischen den drei Nationen. Seine Antwort: „Die Engländer können am besten auf der falschen Straßenseite Auto fahren.“ Was den Austausch angeht, dieser sei dazu da, um junge Leute aus verschiedenen Ländern zusammen zu bringen, zusammen zu musizieren und so Freundschaften über Ländergrenzen hinweg zu schließen.Schon zu seiner Zeit galt das Motto “No party the night before the concert!”, erinnert sich Herr Bielfeld. Eine Regel, die zeigt, dass das Konzept des Austauschs mit Notenblätter alleine nicht zu erklären ist. Nicht nur die Instrumente wecken gegenseitige Neugier, auch die Personen dahinter wollen sich kennenlernen: Die jungen Musiker bringen Spezialitäten aus der Heimat mit wie Short Bread  oder Mint Cake. Man sitzt in Gastfamilien zusammen am Frühstückstisch, wo die Gasteltern jeden Morgen „ein riesiges Kuchenbuffet“ servieren, wie eine junge Französin meint, ja fast schon klagt bei der großen Auswahl. Obwohl die Proben die elf Tage hier in Heidelberg prägen, gibt es auch ein Leben außerhalb der Musik- und Singschule. Zusammen steigen die Musiker ins Drachenboot, sonnen sich im Tiergartenschwimmbad oder erklimmen das Felsenmeer bei Lautertal im Odenwald

Auch am letzten Tag beim „Informal Concert“ wird klar, dass Ernst und Disziplin nicht alles sind für ein junges Orchester. Selbstgewählte Stücke werden von Neuen und Ehemaligen aufgeführt, manche tragen dabei einen Almhut auf dem Kopf oder blasen von der falschen Seite in die Trompete. “All the world seems in tune, On a spring afternoon, When we’re poisoning pigeons in the park. Ev’ry Sunday you’ll see, My sweetheart and me, As we poison the pigeons in the park”, singt Alister inbrünstig bei seiner Einlage. Das Publikum tobt. Das „Informal Concert“ ist bei allem Witz auch ein rührseliges: Gesichter von früheren Austauschen sind mit dabei, spielen mit. Georg-Schmidt Thomée hat Tränen in den Augen, als er sieht, wie sich die Leute weiterentwickelt haben seit ihrem ersten Austausch, auch musikalisch.